2009/01/22

Viel zu Laut

Eigentlich sollte es am Dienstag direkt nach Hamburg gehen. Nachdem ich dann Montag einen Anruf aus der Autostadt erhielt führte der Weg Dienstag doch noch über Wolfsburg. Wie viel Gold frühes Aufstehen bringt, bewies die Zugfahrt.


Es ist 4.15 als mein Taxi am Carpe vorbeifährt. Ich sehe einige bekannte Gesichter. Mein Tag hat vor knapp einer Stunde angefangen, deren noch nicht geendet. Vom Bonner Hauptbahnhof bringt ein RE mich nach Köln. Da gibt es erst mal Frühstück und Kaffee.

Es ist fast sechs Uhr als der ICE den Kölner Hauptbahnhof Richtung Berlin Ostbahnhof verlässt. Es ist leer im Zug. Da der letzte Woche sehr voll war, habe ich einen Platz reserviert. Scheinbar schreckt die Uhrzeit aber viele vor diesem ICE ab.

Wir sind bereits einige Stationen gefahren, als sich jemand an den Tisch zu mir setzt. Er beginnt zu telefonieren. Hinter mir ist jemand ganz und gar nicht begeistert davon „Wir haben 6.30 Uhr – ein bisschen leiser bitte!“

Nach seinem Telefonat greift er zum Laptop und beginnt zu schreiben. Meine Vermutung erhärtet sich, ich spreche ihn an „Was arbeiten Sie?“ „Ich bin Journalist.“ Meine Vermutung lag wohl ganz richtig.

Wir unterhalten uns. Über Journalisten „die können eh alle nix“, über das Gemeinwohl „du musst ihm dienen, kannst es aber nicht“ und über mein fehlendes Schreibtalent. „Tja, könntest du schreiben, hätte ich einen Job für dich gehabt.“ Ich muss lachen. Die Szene hat etwas von einem Déjà-vu.

Der Journalist ist Westfahle – und zwar ein ganz typischer. „Es ist schön, dass Sie keinen Schlaganfall haben können – Sie haben ja kein Gehirn.“ Er googelt mich mit seinem Laptop und stellt gleich mal einen Rechtschreibfehler in meinem Xing Profil fest – den Job kann ich wohl wirklich vergessen....

„Das mit dem AStA solltest du raus nehmen – das klingt so links. Und das Bild – warum ist das schräg? Das ist so Mainstream.“ Auf der anderen Seite des Ganges sitzt ein frisch promovierter Mathematiker. Er klinkt sich in das Gespräch ein. „Sie müssen seine Komplimente mit n-1 multiplizieren, dann wissen Sie was er eigentlich sagen will.“

Bevor der Zug in Wolfsburg einfährt erkläre ich dem Mathematiker wie er mich im Studivz findet. Beide wünschen mir viel Erfolg für das Vorstellungsgespräch. Da der Journalist demnächst eine Stelle in der Unternehmenskommunikation antritt, verspreche ich ihm meine Bewerbungsunterlagen für September zukommen zu lassen.

Mein Gespräch in Wolfsburg verläuft sehr gut. Die Kollegin aus der Kreativdirektion erläutert mir meine Aufgaben und Möglichkeiten. Wir verstehen uns auf Anhieb sehr gut. Nach dem Gespräch bekomme ich leider noch kein direktes Feedback. Trotzdem rufe ich die Vermieterin an mit der ich zuvor schon mal Kontakt hatte und sage, dass ich die Wohnung gerne zum 01. März beziehen würde.

Keine halbe Stunde später bekomme ich dann auch den Anruf mit der Zusage. Im Zug nach Hamburg schlafe ich erst mal ein. Es ist drei Uhr – ich bin jetzt zwölf Stunden wach, nach knapp drei Stunden Schlaf – ich bin fix und fertig.

Micha holt mich vom Bahnhof ab. Es gibt Calzone mit Spinatfüllung zum Abendessen. Bevor ich um neun ins Bett falle schaue ich noch mal ins StudiVz. Ich habe eine Nachricht:

„hallo jenni,
es war schon amüsant, dich heute morgen im zug schnattern zu hören. so bin ich trotz kurzen schlafs richtig wach geworden. danke schön dafür :-)
durch deine ausführlichen beschreibungen des gänsebergs bin ich neugierig geworden und stelle fest, du hast seit heute morgen dein profilbild geändert. das, was ich im zug auf dem rechner deines gegenübers gesehen habe, hat mir aber auch gefallen.
jetzt fragst du dich sicherlich, wer ist der blödmann, der mich da anschreibt? ich saß 2 reihen weiter vorne auf der anderen fensterseite. hoffe, du hast dein praktikum!“

Meine Mama hatte Recht – ich bin einfach viel zu laut…

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