2009/01/15

Schlechte Gedanken bis zum Absturz

Mein Vorstellungsgespräch in der Autostadt wurde Montag spontan vorgezogen, nachdem ich noch einmal angerufen habe und dabei auf eine andere Möglichkeit stieß. Zwar weiß ich jetzt immer noch nicht mehr, aber immerhin ist das erste Vorstellungsgespräch schon mal durch.

Als ich in Wolfsburg aus dem Bahnhof trete steht ein hässliches, kastenförmiges Gebäude vor mir – super fast wie Daheim. Ich bin fast zwei Stunden zu früh und gehe darum zu erst zur Touri-Info um einen ersten Überblick zu gewinnen.

Als ich nach der nächstgelegenen Sparkasse frage, kommt auch gleich die erste Überraschung. Die Sparkasse liegt am Ende der Fußgängerzone und die heißt Porschestraße. Da Porsche mich fürs Praxissemester einstellen wollte werte ich dies als erstes gutes Zeichen des Tages.

Als ich durch die gelfickte Fußgängerzone laufe, fällt mir nicht gerade die Schönheit der VW Stadt ins Auge. Allerdings ist nicht mal Bonn bei grauen Schneeresten und Streukies herausragend schön…

Auf meinem Rückweg von der Sparkasse fällt mir ein Schild ins Auge – ich muss sofort grinsen. Über einem Club prangert das Schild „Nachtschicht“. Laut lachen muss ich als ich den Rest lese: Partydorf und Discostadl – verdammte Kleinstadt.

Neben dem Bahnhof führt eine elegante Fußgängerbrücke über Bahntrasse, Touareg-Offroad-Parcours (machen wollen) und den Kanal. Dieser ist ganz von Schollen bedeckt und vermittelt den Eindruck die Zeit stünde still – wie ein Freeze beim Film.

Links teilt der Kanal sich, zwischen den beiden Teilen liegt das alte VW-Werk, ganz in rotem Backstein. Echte Industrieromantik. Vor mir liegt futuristisch, elegant in Stahl, Beton und Glas das Konzernforum der Autostadt.

In der Mitte des großen Baus befindet sich die verglaste Empfangshalle. Überdimensioniert und mit nur wenig Möbeln eingerichtet macht sie trotzdem einen überaus einladenden Eindruck. Links befinden sich due Eingänge, rechts Restaurants.

Ich ziehe mich erst mal in die sanitären Anlagen im Untergeschoss zurück: Deo nachtragen, Frisur checken, Gammelpulli gegen Blazer tauschen. Die Wände der Toiletten sind Schwanenberg-Blau – das zweite gute Zeichen des Tages.

Die letzte halbe Stunde verbringe ich in der Empfangshalle und das dritte gute Zeichen fällt mir ins Auge: Gleich gegenüber gibt es ein Designer Outlet. Wenn es also nichts wird mit der Stelle, geh ich erst mal shoppen.

Als ich mich am Empfang anmelden möchte, fragt die Frau gleich nach meinem Namen und schickt mich vier Etagen höher. Nach einer kurzen Wartezeit kommt eine der Damen aus dem Recruiting mich holen.

Das Gespräch verläuft sehr angenehm. Wir liegen schon mal auf ähnlicher Wellenlänge. Statt eines Interviews mit den Standard – was sind ihre negativen Eigenschaften – Fragen, muss ich Fragen eines psychologischen Test beantworten. Jedem Kandidaten für (fast) jede Stelle werden die gleichen Fragen gestellt.

Die Fragen sind alle wie für mich gemacht: Lächeln sie viel? Ausschließlich. Können Sie gute Laune verbreiten? Mein einzig wahres Talent. Sind Sie loyal? Seit ich im T-Punkt gearbeitet habe, würde ich nie mehr den Anbieter wechseln.

Leider war die Idee zum Interview zu spontan für die Mitarbeiter der Abteilung für die ich mich vorstelle. Da diese gerade in den letzten Organisationszügen einer Pressekonferenz sitzen, müssen wir dieses Gespräch und somit auch eine konkrete Zu- oder Absage verschieben.

Meine Interviewerin beherrscht das Pokerface perfekt. Ich habe keine Ahnung wie meine Chancen stehen. Für den Weg nach unten nehme ich die Treppen. Eine Absage wäre mir lieber gewesen – nichts zu wissen konnte ich noch nie leiden.

Zum shoppen habe ich jetzt auch keine Lust mehr. Ich will einfach nur noch so schnell wie möglich nach Hause – Wolfsburg habe ich ja glücklicherweise schon vor dem Gespräch gesehen. Ich gehe zum Bahnschalter, frage die Frau nach der nächsten Verbindung. „Tut mir leid, unser System ist vor drei Stunden ausgefallen – ich kann gar nichts machen.“

Im Scherz frage ich, ob denn die Züge noch fahren. „Ja, die sind nicht betroffen.“ Den Witz hat sie allerdings nicht verstanden. Glücklicherweise findet sie in ihren Papierfahrplänen einen ICE. Als ich dann am Bahngleis stehe und auf ihn warte (15 Minuten Verspätung bereits angekündigt) fährt ein anderer ICE auf das Gleis – der sollte hier eigentlich gar nicht halten.

Mein Telefon klingelt. Schizzel ist dran. Er steht am Troisdorfer Bahnhof – sein Zug wurde komplett gestrichen. Und ich denke mir: ‚Da hast du einmal im Leben negative Gedanken und gleich brechen irgendwelche Server zusammen‘, ich stecke mir den Pur Party Hitmix in die Ohren und lächle.

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