2006/10/29

100 Dinge, die ich an dir hasse

Männer wollen Frauen. Eine einfache Regel, an der auch die Evolution nichts ändern konnte. Ein Mann hat nicht viele Ansprüche. Im Gegenteil – die Ansprüche sind leicht zu erfüllen: Weibliche Rundungen, weibliches Verhalten und schon ist Mann zufrieden gestellt. Bei Frauen ist das schwieriger.

Vor einiger Zeit stand in einer renommierten und nahezu ernst zu nehmenden Frauenzeitschrift, dass man 13 Männer, vor dem Richtigen hat. 13 Männer im Sinne von: 13mal Gedanken über Ihn. Also von Schwarm über One-Night-Stand bis zur ersten Liebe. Alles wird gezählt.

Etwas hat 13mal nicht gestimmt. Jede Frau hat in sich einen kleinen Regelkatalog: Was er nicht haben darf und was er haben sollte. Da stehen dann solche Dinge, wie „mein nächster Mann darf keine Haare auf dem Bauch haben“.

Die moderne Frau wird im Laufe der Jahre immer anspruchsvoller, der Regelkatalog immer länger. So gibt es bald 100 Dinge, die nicht in Frage kommen. Anhand einiger zuvor geküsster Frösche weiß sie ja nun, was er nicht haben darf. War der Ex ein Arbeitstier, das selbst Nachts am Schreibtisch hing, so sollte der nächste Arbeit eher locker sehen.

Nach dem ersten Kuss mit einem Raucher steht fest: Kein Raucher. Und war der neurotische Typ mit dem sie letzte Woche essen war Jura-Student, so kommen auch Juristen auf die Liste.

So wächst der Regelkatalog. Bis er die Länge der Schriftrolle hat, auf die Cesar den bello Gallico mal geschrieben haben muss. Damit erklären sich auch die 13 Dates. Schließlich muss sich erst mal einer finden, der ins Reglement passt.

Es ist wie vor Millionen von Jahren, als jede Beere auf Dreck untersucht wurde. Frauen sind nun mal Sammlerinnen – früher und heute. Nur das zu Sammelnde hat sich im laufe der Jahrhunderte verändert. So ist das nun mal mit der Evolution.

2006/10/11

Massensucht

Das neue Jahrtausend. Es hat uns viele seltsame Dinge gebracht. Flugzeuge, die in Türme fliegen, Menschen die ohne ihr Macbook nicht mehr schlafen können, statt journalistischen Kolumnen werden Bloggs von jedermann geschrieben. Außerdem die allgemeine Sucht, nach etwas unentbehrlichem.

Seit das Handy zum allgemeinen Gut wurde sind nun weniger als fünfzehn Jahre vergangen. Früher war ein Handy eine lebenserleichternde Erfindung für den Geschäftsmann. Es war klobig, schwer und sah dämlich aus. Heute ist es ein kleines, schickes Hosentaschengerät und nicht mehr weg zu denken. Es ist Haustürklingel-Ersatz, Fotoapparat, Walkman und Statussymbol. Jeder hat eins.

Ich bekam mein erstes vor sieben Jahren. Ich kann mich auch noch genau daran erinnern: Ein blaues Motorola mit einer PrePaid-Karte von D1, mit dem man Menschen hätte niederknüppeln können. Innerhalb der letzten Jahre wechselte ich dreimal die Nummer, und besaß acht verschiedene Handymodelle (in sofern ich mich nicht verzählt habe) in schrumpfender Reihenfolge.

Seit nunmehr zwei Wochen arbeite ich in der Zentrale der Sucht. Im T-Punkt. Dort habe ich Dinge gesehen, die mich sehr erschreckt haben:

Als ich den Mann frage, wie ich im helfen könne nimmt er ein Motorola V3 aus der Hand seines Sohnes. „Es fotografiert nicht mehr.“ Ich nehme das schmale Klapphandy in die Hand. Es sieht reichlich ramponiert aus, ganz so als würde es einem Achtjährigen gehören. „Es gehört meinem Sohn. Er hat es eigentlich nur zum fotografieren.“

Ich besaß früher eine rote Fisher-Price-Kinderkamera. So eine, die man auch mal mit in den Sandkasten nehmen kann. Ein V3 kann man leider nicht mit in den Sandkasten nehmen. Ich erkläre dem Mann, das in einem ruhigen Ton. Er findet, dass Motorola trotzdem die Reparatur bezahlen sollte. Ich gebe ihm die direkte Nummer von Motorola.

Danach kommt eine Frau rein. Sie fährt übermorgen nach Finnland und möchte von dort aus billig mit dem Handy nach hause telefonieren können. Ich erkläre ihr den Urlaubstarif und wie er funktioniert. Leider zahlt mein Arbeitgeber* keine Provision, damit ich der Frau dieses Paket verkaufe. Da ich außerdem ein total netter Mensch bin erkläre ich ihr, dass es wesentlich günstiger für sie ist, sich dort eine Telefonkarte zu kaufen.

Telefonkarten scheinen den Menschen dieser Generation aber schon reichlich fern. „Telefonkarte? Sie meinen ich soll von der Telefonzelle aus telefonieren.“ Ja, genau das meine ich. Denn es gibt sie immer noch - auch wenn die Frau mir das nicht glaubt – die guten alten Telefonzellen. Da die Frau Telefonzellen aber ziemlich fies findet, nimmt sie doch lieber das Urlaubsangebot.

Aus dem Urlaub möchte sie aber auch schöne Postkarten verschicken – auch das geht mittlerweile direkt von dem Handy. Ich erkläre ihr den Vorgang, dann frage ich sie nach ihrem Handy. Es ist ein älteres Model mit VGA-Kamera. Ich erkläre ihr, dass die Postkarten dann ziemlich scheiße aussehen werden (wobei ich das natürlich anders ausdrücke), da die entsprechend vergrößert werden müssen. Das sei ihr egal. Auch dass eine Handy-Postkarte viel teurer ist (und wahrscheinlich auch bei weitem hässlicher, als eine normale) interessiert sie nicht. Ihr geht es um die Individualität. Ich habe früher Postkarten gemalt. Das war individuell und günstig.

Nach zwei Wochen voll mit individuellen Erlebnissen dieser Art beschließe ich mein Handy einfach mal aus zu machen. Das ist jetzt Fünf Tage her – und unglaublich entspannend! Ich betreibe Kommunikation jetzt nur noch einseitig. Nämlich wenn ich kommunizieren will. Hat man ein Handy wird man zur Kommunikation gezwungen. Ruft der Ex-Freund den ganzen Tag an, geht man irgendwann genervt dran. Handys zwingen uns dran zu gehen. Dafür sind sie schließlich da.

Ein klingelndes Telefon hört sich für die meisten Menschen mittlerweile hilfebedürftiger an, als ein schreiendes Kind. Schreit ein Kind stundenlang auf der Straße sagt niemand etwas. Klingelt ein Telefon auch nur eine Minute brüllen drei Leute „Jetzt geh doch mal einer dran!“

Wir telefonieren überall, zu jeder Zeit. Sitzen wir mit unserem Date im Café und das Handy piept, schenken wir ihm die ganze Aufmerksamkeit, statt dem super-sexy-Typ gegenüber. Stehen wir an der Kasse im Supermarkt gehen wir ans Handy und telefonieren, kramen mit einer Hand im Geldbeutel und legen auch nicht auf, wenn all das Kleingeld runter fällt.

Wir merken nicht, dass wir den super-sexy-Typ mit unserer Telefoniererei langweilen, und dass alle Menschen in der Schlange hinter uns im Supermarkt sauer werden. Das Handy ist eine Sucht – eine Notwendigkeit – eine Krankheit. Das Handy ist so normal wie der Toilettengang nach dem aufstehen. Es ist so alltäglich, wie die Decke über unserem Bett. Früher verband ein Kuss zwei Menschen auf dem kürzesten Wege. Heute tut dies das Handy. Egal wo man ist. Aber es trennt uns von der Welt.

Seit mein Handy aus ist, ist mein Empfang wieder auf die Welt gerichtet. Das schreiende Kind auf der Straße entpuppt sich bei näherem Hinsehen, als lachendes Kind, das sich über einen Schmetterling freut. Am Nachbartisch im Café redet ein Mädchen aufgeregt in ihr strassbesetztes Handy. Der Typ ihr Gegenüber sieht gelangweilt aus. Ich lächle ihn an, er lächelt zurück. „Hast du auch die Handy-Sucht?“ frage ich ihn. „Nein, ich hab noch nie eins gehabt.“ Er zahlt seinen Kaffee und wir gehen. Sie telefoniert immer noch.

*(a.d.Red.: ich bin keine Angestellte der Telekom, sondern eines Unternehmens, dass mich nur im T-Punkt zur Zwischenmiete abstellt)

2006/10/08

Die Sanduhr

Entscheidungen beeinflussen die Welt. Täglich treffen wir sie. Mittlerweile haben wir aber so viele Möglichkeiten, dass wir schnell mal den Überblick verlieren und dann wird es schwer Entscheidungen zu treffen.

In den Supermarkt gehen ist mittlerweile fast ein Albtraum. Die Auswahl ist riesig und der Überblick fehlt. Bei 70 Sorten Tütensuppe kann man schon mal länger nach der richtigen suchen.

Diese fünf Minuten die da verloren gehen, sind aber nichts im Gegensatz zu der Zeit die Verloren geht wenn man die richtige Entscheidung treffen will. Die Welt steht offen für jeden. Im Gegensatz zu früher, da war die kleine Welt eine Stadt, vielleicht ein Land.

Ein Land reicht aber nicht mehr. Unsere Möglichkeiten umfassen mittlerweile alle Kontinente. Maschinenbau in Peking studieren, Bienen in Kanada züchten oder in Dubai eine Physiotherapie-Praxis eröffnen. Alles ist möglich.

Zwischen vielen Möglichkeiten muss man entscheiden. Das verlangt Zeit. Entgegen aller Ratschläge, die es so gibt. („Atme tief durch und entscheide innerhalb von sieben Atmenzügen.“) Von uns wird Spontaneität verlangt, aber wir wollen die beste aller Möglichkeiten.

Diese herauszufiltern braucht Zeit. Also sitzen wir da und denken. In der Vorlesung, im Supermarkt, in der Nacht. Umso länger wir denken, umso mehr Möglichkeiten fallen uns ein. Umso mehr Möglichkeiten es gibt, desto länger denken wir.

Wir befinden uns in einer Sanduhr, und wir rutschen unaufhaltsam nach unten während wir denken. Kurz bevor die Zeit abgelaufen ist geraten wir an die Engstelle. Diese schnürt uns die Luft ab, bis der Kopf fast platzt.

Dann kommt der Moment der Entscheidung. Und diese erleichtert uns. Der Kopf wird wieder frei, der Raum zum Denken kehrt zurück – wir atmen auf. Wir fallen sanft auf den Sand unter uns.

Nach diesem Moment fragen wir uns, was denn so schwierig an der Entscheidung war, warum wir sie nicht treffen konnten. Dann ist es wie mit dem Supermarkt Regal, denn die richtige Suppe stand letzten Endes genau vor unserer Nase.

2006/10/07

Schwermacher

Eigentlich ist das Leben leicht. Die Menschen um mich herum sind einfach zu verstehen und helfen das Leben noch leichter zu sehen. Bis auf eine ganz bestimmte Sorte Mensch.

Am Anfang finden sie dich interessant. Ihre Welt dreht sich nur noch um dich. Sie hören zu, fragen nach, interessieren sich. Außerdem erzählen sie von sich. Nicht etwa, was sie bewegt – nein – sie erzählen von ihrer Zukunft.

Sie erzählen dir von ihren Plänen – ihren detaillierten Plänen in denen du nicht eingeplant wirst, aber das bemerkst du erst gar nicht. Was du irgendwann bemerkst ist, dass sie zwar Pläne haben, aber nichts dafür tun. Während du Bewerbungen schreibst und Kontakte knüpfst, erzählen sie nur.

Sie setzen überhaupt nichts in die Tat um. Sie erzählen viel – von vielem. Sie versprechen auch viel. Erst glaubst du ihnen, aber irgendwann steigst du dahinter: Sie reden nur. Das können sie gut. Sie ziehen die Menschen auf ihre Seite und verlassen sich darauf, dass sie dableiben – ohne weiteres Zutun.

Sobald sie bemerken, dass du das weißt, interessieren sie sich nicht mehr für dich. Sie fragen nicht mehr, sie wollen nicht mehr wissen. Uninteressant sein, macht dich nur noch zu einer Person auf ihrer Seite. Zu einem Gast auf ihrer Gästeliste für ihre nächste Party. Zu einem Gastgeber deiner nächsten Party. Zu einem Helfer, wenn mal jemand anpacken muss. Nichts weiter.

Es sind Menschensammler. Sie wollen einfach nur möglichst viele Menschen kennen und von möglichst vielen Menschen gekannt werden. Sie geben vor interessiert zu sein – und das sind sie auch – aber sie sind so schnell wieder uninteressiert, dass es sich nicht interessiert, wenn sie einen Scherbenhaufen hinterlassen.

Diese Menschen machen das Leben schwer. Es gibt wahrscheinlich nichts schlimmeres, als Uninteresse. Vor allem, wenn man vorher das Interesse kannte. Sich auf jemanden zu verlassen und dann verlassen zu werden ist hartes Brot und schwer zu verdauen. Da kann einem schon mal schlecht werden.

2006/10/04

Bahnhofsinsel

Ein Bahnhof ist für manche Menschen ein Ort der Zuflucht, Abschiedsplatz, Ankunftsort. In jedem Fall ist ein Bahnhof eine Insel.

Der Blick fällt auf die Bahnhofsuhr. Sie tickt verlässlich. Ganz im Gegensatz zu der Bahn, die schon da sein sollte. Eigentlich haben all die vielen Penner schon die richtige Wahl getroffen. Wenn man auf seinen zwanzig Minuten verspäteten Zug eine halbe Stunde wartet beginnt man sich im Bonner Hauptbahnhof wirklich wohl zu fühlen. Man gammelt auf dem Boden, vor sich all sein Hab und Gut und fühlt sich eigentlich ganz wohl. Man kommt hier nicht weg, denn der Zug könnte ja jeden Moment kommen und der Bahnhof wird zur Insel. Das rote Gebäude strahlt Härte aus, genau wie Geborgenheit. Ein Gebäude in dem man wohl fühlen kann, wie sich wohlfühlen anfühlen könnte.

Nach nicht zu zählenden Minuten fährt der Zug ein. Im leeren Abteil angekommen fühlt man sich, wie in einem Aquarium. Die Beleuchtung innen ist grell. Der Bahnhof wirkt plötzlich wie eine ferne unerreichbare Welt. Als der Zug sich in Bewegung setzt entfernt sich diese Welt noch viel mehr. Aus Lichtern werden Schlieren am dreckigen Fenster, aus Menschen werden Flecken. Als der Zug aus dem Bahnhof raus ist versinkt die Welt vor den Aquarium-Scheiben in Dunkelheit.

Die Aufmerksamkeit wird auf die Lektüre gelenkt. Diese belehrt: „Die Wahrscheinlichkeit, auf einer Insel glücklich zu sein, ist größer als auf dem Festland.“ Darum leben die Penner auf der Bahnhofsinsel. Aber mal ehrlich: wir leben alle auf unserer eigenen kleinen Insel, die auf dem Strom der Masse schwimmt. Man sieht es doch täglich: Deutschland geht es schlecht – Deutschland meckert – alle meckern mit – alle sagen sie würden nicht meckern. Alle bauen ihre eigene, kleine Insel, die sie zum Glück führen soll.

Die Zugfahrt entwickelt sich zur Fahrt auf die nächste Insel, die glücklich machen soll. Weg vom Stress, weg von Freunden, weg von Familie und Umfeld. Weg von allem was ablenkt. Hin zum Verstehen. Verstanden haben bedeutet glücklich zu sein. Dabei ist es egal was verstanden wird. Etwas verstehen befriedigt mehr, als alles andere auf der Welt. Eine schwere Aufgabe das erste Mal zu verstehen kann glücklicher machen, als alle Weihnachtsgeschenke aufeinander. Am glücklichsten macht es, sich selbst zu verstehen.

Der Blick schweift aus dem Fenster. Der Himmel ist schwarz und sternlos. Dunkler als der Himmel sind nur die Berge. Sie sind schwärzer als alles. Fast als hätte jemand ein Loch in den Himmel geschnitten. Die Lichter der Häuser am Fuß der Berge spiegeln sich auf dem Fluss, der fast genauso schwarz ist wie die Berge. Ein glückliches, glänzendes Schwarz. Ab und zu taucht eine beleuchtete Ruine in den Bergen auf. Kleine Schlösser der Vergangenheit über dem hektischen Leben, das bei diesem Anblick für einen kleinen Moment inne hält.

Plötzlich taucht ein riesiger Berg auf, der den Lauf des Flusses schmälert. Die Wasseroberfläche kräuselt sich hier deutlich, der Fluss fließt schneller, er rast. Man spürt förmlich die Kraft die das Wasser aufbringen muss um diesen Engpass seines langen Weges zu passieren. Die Oberfläche glitzert wie tausende Sterne. Das Wasser sieht, trotz der Schwere Weges, glücklich aus. Dann verschwindet der Fluss hinter Häusern.

Die Aufmerksamkeit versinkt wieder in die Gedanken an Glück. Andere zu verstehen macht glücklich. Man müsste es wie Norah Vincent machen. Sie hat 18 Monate als Mann gelebt. Anerkannt und Unerkannt. Sie versteht die Männer jetzt ein ganzes Stückchen mehr. Auch wenn sie es nicht nötig hat. Schließlich ist die Frau lesbisch. Aber vielleicht ist ihr dieses Wesen darum auch noch so viel ferner.

Fern liegt auch die Welt draußen. Einfahrt in den Flughafen Bahnhof Frankfurt. Ein Konstrukt aus Betonpfeilern, verkleidet mit betongrauem Plastik, die eine plastikvertäfelte Decke tragen. Der Boden: kalte graue Steine, die aussehen wir eine Eisfläche, die bricht sobald man sie betritt. Alles andere ist aus Metall. Geländer, Anzeigetafeln, Uhren, Bänke. Alles giftig glänzendes Metall. Einzig die Sitzflächen der Bänke sind aus dunklem Holz. Die Bahnhofsuhr funktioniert digital. Silberne Zahlen auf schwarzem Grund – nicht gerade Vertrauen erweckend.

Das kann unmöglich alles die gleiche Welt sein. Ein Bahnhof soll einen willkommen heißen, soll einen in die Arme nehmen. Ein Bahnhof soll zum Abschied glücklich winken. Dieser Bahnhof ist nicht glücklich. Die Betonpfeiler sind dick und stabil, doch im grellen Licht der Neon-Leuchten scheinen sie lustlos, als würden sie jeden Moment ihre Arbeit quittieren.

Der Zug setzt sich wieder in Bewegung. Die Lektüre wird weg gepackt, außerdem der ausgepackte Proviant. Die Nacht draußen wird heller. Es wird nicht Tag - die Stadt nähert sich. Aus dem dunklen Schwarz des Himmels, das vorher so klar die Welt einrahmte wird langsam ein dreckiges, künstliches Lila. Die Lichter der Stadt erhellen den Himmel auf eine diffuse Art und Weise. Der Zug überquert einen Fluss. Er wirkt genauso lust- und kraftlos wie die Betonpfeiler.

Der Zug verlangsamt seine Fahrt. Fährt in den Bahnhof ein. Das behagliche Gefühl eines Wohlfühl-Bahnhofs kommt wieder auf. Das Glas des Daches ist mit den vielen Jahren milchig geworden. Getragen wird es von schwungvoll gestalteten Eisenträgern, die grün schimmern. An den Enden von jedem Träger sind kleine Ornamente aus Zink gestaltet. Das Bahnhofsgebäude wirkt stark.

Beim aussteigen fällt der Blick auf die verlässlich tickende Bahnhofsuhr. Sie heißt jeden Willkommen. Unter ihr hängt ein grinsender Kopf. Grinsen auf den Gesichtern, die ihn erblicken. Beim Gang durch das Bahnhofsgebäude kommen Penner über den Gang. Sie lächeln. Sie sind sich bewusst über ihre Insel und dass sie wahrscheinlich niemals davon runter kommen werden.